Veröffentlicht in Leben, Natur

… und trotzdem

…wird es Frühling! Wieder einmal geschieht in Teilen der Welt Unfassbares, für das ich die Worte gar nicht erst suchen will. Es gibt keine für das, was ich sagen würde. Da kommt immer wieder das Gefühl der Hilflosigkeit auf, zusammen mit Wut. Und auch mit der Frage: Ist es eigentlich noch richtig, Geschichten zu erzählen? Wenn es doch so viel Wichtigeres gibt?

Dann hilft nur noch ein Spaziergang, ein Rausgehen, eine kleine Befreiung. „Einmal um den Pudding“ sagte meine Oma, geboren 1900. (Komisch, warum Pudding? die Frage habe ich damals nie gestellt. Sie hatte zwei Kriege erlebt, ihren Mann im zweiten verloren. Sie blieb immer gelassen, so wie man es ihr anerzogen hatte. Später hat sie das manchmal bereut, hätte sich im Nachinein mehr Leidenschaft gewünscht im Leben und brannte, fast neunzigjährig, spontan für einen kostbaren Tag mit ihrem Kurarzt durch.)

Auf diesem Spaziergang begegnet uns der Frühling, und aus der kleinen Befreiung wird eine große, denn groß in der Wundersamkeit ist jede dieser erstaunlichen, entschlossenen Knospen, das emsige Tun und Zwitschern der Vögel, die windstille Atmosphäre gespannter Erwatung vor dem großen Wachsen und ausgelassenen Blühen. Alles vibriert vor Leben, das im Begriff ist, wiederaufzuerstehen. Da ist ein Schwarm Schneeglöckchen, jedes Jahr dichter, das nicht welken will und sich selbst im hellen, klaren Spiegel des Fließens betrachtet.

Da ist eine verhangene Sonne, die einen ernsten und ermunternden Zauber auf einen Zweig wirft, der noch kahl ist, aber voller Pläne in den Trieben.

Und ich denke: Ja, wir müssen weiterhin Geschichten erzählen, gerade jetzt. Müssen die Bilder genießen. Müssen das Leben feiern, wo es geht, auch für die, die es gerade nicht können. Damit es lebendig bleibt, damit seinen Wurzeln nicht der Saft entzogen wird. Geschichten erzählen von der Menschlichkeit, mit Höhen und Tiefen, Größe und Abgründen, und diese unsere Menschlichkeit gilt es festzuhalten und immer wieder neu zu erzählen, auf dass sie uns nicht verlorengehe. Denn sie besitzt die Kraft und Unermüdlichkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Wie der Frühling.

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Spuren legen

Ehe ich das Manuskript abgebe, gilt es, noch ein Samenkorn hineinzupflanzen, aus dem Band 2 entstehen könnte. So eine Buchreihe, das ist wie ein Garten. Ein Detail oder Wesen befruchtet das andere, fördert das Wachstum und führt zu überraschenden Farbklecksen. Wurzeln geraten hierhin und dorthin und plötzlich blüht in einer Ritze etwas, das man ganz woanders vermutet hatte. Aber am Ende gibt es ein Ganzes.

Veröffentlicht in Leben, Natur

Himmelsmusik

Grau war es heute über Brandenburg, und nicht nur heute. Aber wir haben uns aufgeschwungen, raus aus der Stadt, frische Luft tanken, warum nicht auch im Nebel. Kalt war es aber, sehr, an den Füßen und Händen und der Nase. Und dann doch ein gewaltiges, unerwartetes Erlebnis: Eine Musik wie aus dem Nichts, mit einem geheimnisvollen Echo in der feuchten Luft, dann das Rauschen von Schwingen. Unzählige Singschwäne, so noch nie erlebt! Obendrauf dann noch endlose Formationen von Gänsen, die es auf dieselben Rastplätze abgesehen hatten. Ein Strudel aus Leben, aus Rufen, aus Luftakrobaten, aus Schönheit, Leben pur. Da steht man und staunt, fühlt sich klein, aber groß beschenkt. Unvergeßlich.

Veröffentlicht in Leben, Natur, Schreiben

Seelenappetit

Wenn das Jahr neu ist und der Weihnachtsbaum fort, dann kommt unweigerlich der Hunger nach Farben, eine tiefe Sehnsucht. Dann muss mit dem ersten Blumenstrauß die Vorfreude auf den Frühling anmoderiert werden. So weit entfernt ist der nicht. Nur ein erstes Schneeglöckchen weit, einen gelben Winterling, einen blauen Krokus. Ein paar Wochen, höchstens zwei Monate.

Freude über den Schnee, wenn er denn kommt, oder den Frost auf dem See und den Rauhreif an den Zweigen ist trotzdem da. Das ist kein Widerspruch. Beides geht durchaus zugleich. So ist der Mensch. Eine unserer guten und erstaunlichen Fähigkeiten.

Ja, und den letzten Kapiteln des Manuskripts verleihen sie auch Schwung, diese Farben. Sie haben so viel Energie.

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Die Zeit der Glühwürmchen

Es ist soweit! Ab jetzt ist mein neues Buch bestellbar. Erscheinen wird es voraussichtlich Ende April 2020. Es ist zwar Teil einer lose zusammenhängenden Reihe, doch anders als die Bände der Trilogien ist hier jede Geschichte völlig in sich abgeschlossen. Man kann also getrost bestellen, ohne auf den nächsten Band zu warten.

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Die junge Remy macht eine Entdeckung, die ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. An einem geschichtsträchtigen See mitten in Mecklenburg-Vorpommern trifft sie ihr Vorbild, die Journalistin Taru, die gerade ihr gesamtes Leben auf den Kopf gestellt hat. Die beiden Frauen merken, wie gut sie sich ergänzen – und wagen ihr ganz persönliches Abenteuer. Denn Remys Fund stellt sie vor eine Aufgabe, die sie nur gemeinsam bewältigen können. Um einen verlorenen Garten auf Rügen zu retten und ihm den tiefen Zauber wiederzugeben, der in allen liebevoll gestalteten, naturnahen Gärten am Werk ist, müssen sie sich ihrer Vergangenheit stellen und auf alte Geschichten lauschen. Und  natürlich mit aller Kraft anpacken, die praktischen Schwierigkeiten überwinden, die wir alle kennen, und vor allem nie den Mut verlieren. Dabei helfen Worte aus der Vergangenheit: jene des geheimnisvollen Mervin und auch die von Ilari, der Taru einst so viele Türen geöffnet hat, bevor ihre Welt sich schlagartig änderte…

Die Geschichte spielt teils auf Rügen, teils am schönen Tollensesee, denn es gibt auch abseits vom Meer so viele Orte in Deutschland, von welchen ich erzählen möchte.

Mir sind sowohl die Schauplätze als auch die Figuren sehr ans Herz gewachsen. Ihre Mission hat mich selbst angesteckt, so dass ich nicht nur mit 55 endlich meinen Sport gefunden, sondern auch meinen gesamten Garten umgestaltet habe. Ich hoffe, dass die Geschichte euch ebensoviel Freude machen wird.

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Berlin is’n Dorf… auch.

Vom alten Bernauer Heerweg habe ich schon mal erzählt. An dieser Stelle ist er seit Mauerzeiten nur noch ein Trampelpfad. Aber die Straßenschilder stehen noch, und mit Berliner Gründlichkeit wird auch brav auf Straßenschäden hingewiesen.

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Wie ewig das alte Kopfsteinpflaster schon hier liegt – das gehört noch zur Wittenauer Straße, an der wir ein Stück weiter unten wohnen – mag ich gerade nicht recherchieren, aber es ist so glatt gewetzt dass es in der tiefstehenden Sonne wie Silber glänzt.

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Ein Stück auf dem Trampelpfad durch den Wald

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…dann wird es wieder eine Straße.

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Melancholisch, die kleine Ruine. Wer dieses Häuschen wohl einmal gebaut hat? Und wer hat über die Jahre darin gewohnt?

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Hier wird fleißig Heu eingefahren

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Und in der Ferne erhebt sich der alte Trümmerberg, wo man jetzt Drachen steigen lassen kann.

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Dann wieder ein Trampelpfad, herbstlich dekoriert. So mag ich Berlin.

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Auf dem Rückweg treffe ich am Fließ Enten, die sich über die ungewöhnliche Herbstwärme ebenso freuen wie ich.

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Das Gras scheint am Ufer eine Art stillen Jahresabschiedstanz zu vollführen.

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Und die Sonne malt impressionistische Bilder ins Wasser.

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Ich mag Gegenlichtaufnahmen – merkt man gar nicht, oder? 🙂

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Im Sumpf steht noch immer die einsame Pappel, die seit Jahren ums Überleben kämpft

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Und in Schilf und Gräsern verschwimmen die Konturen als wäre alles nur ein Traum – und ein Traum war er, dieser sommerwarme Oktobertag in Berlin.

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